Dieser Text wurde im Auftakt 3/2020 veröffentlicht:
Schon mal drüber nachgedacht?
“Wie sich die Philosophie als Kunst zur F r e i h e i t des Menschen verhält, was die letztere ist, und ob wir ihrer teilhaftig sind oder es werden können?” – das ist die erste Hälfte eines Satzes am Ende der Philosophie der Freiheit. (1) Dieses wunderbare Selbsterweckungs-Buch ist so geschrieben, dass es als Jahresbuch gelesen werden kann. Das heisst ich kann, wenn ich das will, jeden Tag einen Absatz lesen. Dieses Jahr tue ich das, in dieser Weise, zum dritten Mal und möchte darauf hinweisen: das ist eine schöne Sache, lohnt sich gewiss es auszuprobieren!
Ich verwende dazu das Buch als Gedankenpartitur in der Code-X Ausgabe (2), da wird das Kunstwerk der Gedankenkomposition schön anschaubar (3). Vom 10. Januar bis zum 17. Dezember lese ich jeden Tag einen Absatz (ohne die Zusätze zur Neuausgabe 1918). Davor und danach nehme ich die Vorworte, Anhänge und Zusätze zu mir; in der Zeit zwischen Weihnachten und Epiphania mache ich eine Pause. So erklingen hier, wo ich lebe, jeden Tag die von ihrem Autor bewusst komponierten Sätze zum Thema Mensch und Freiheit – jeder Absatz ein lebendiges Kleinod.
Was bringt mir das?
- Ich kann dabei meinen Lebensleib erleben. Denn diese Gedanken mitzudenken / nachzudenken ist nur möglich bei Zuhilfenahme desselben. Dadurch wird er gestärkt (= life-body-building!).
- Ich schaffe regelmässig eine Gelegenheit zur Reinigung meines Seelenleibes (4), jeden Tag ein bisschen, ein Heilungsprozess in homöopathischer Dosis.
- Ich bin mit meinem Bewusstsein “am Zahn der Zeit”. Ich verbinde mich mit dem Zeitgeist, kann in einen Dialog mit ihm treten, kann Fragen stellen.
- Es kann die Fähigkeit in mir entstehen Illusionen zu durchschauen. Ich kann wahrheitsfähig werden und tatkräftig. Das kann durchaus zu einer Steigerung der Lebenslust führen (5).
Was bringt das der Erde?
Es könnte an verschiedenen Orten ein Licht aufblitzen jeden Tag, da wo ein Mensch das tut. Das könnte der Erde dabei helfen die derzeitige Panik-Attacke zu überwinden / verwandeln (6). Kombiniert mit dem Eurythmisieren des Hallelujah könnte das eine Hilfe sein, sowohl persönlich als auch planetarisch, in unserer aktuellen Situation (globale Pandemie – Inszenierung (7)).
Margrethe Skou Larsen
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Zweiter Anhang, zehnter Absatz: “…: das ist die Hauptfrage meiner Schrift”.
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Zweiter Anhang, neunter Absatz: “Alle wirklichen Philosophen waren Begriffskünstler”.
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Rudolf Steiner über das Johannes-Evangelium, Hamburg, 31.Mai 1908; GA 644.
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Goethe: Wenn im Unendlichen dasselbe…
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Im Vorwort zu seinem Buch The Power of Now beschreibt Eckhart Tolle, wie er durch das Erlebnis einer Panik-Attacke zu sich selbst erwacht ist.
Dieser Text wurde im Auftakt 1/2021 zum Teil veröffentlicht. Hier die vollständige Version:
Schon mal ausprobiert?
Die “Philosophie der Freiheit” wiederzugeben wie ein Pianist eine Sonate, so wie Rudolf Steiner das im Mai 1908 in Hamburg empfohlen hat? Wenn Du das tust, wirst Du bald merken, was passiert. Deine Seele, einem Ackerboden vergleichbar, wird regelmässig aufgelockert. Wenn dann die Samen der Geisteswissenschaft da hinein gestreut werden, geht die Saat früher oder später gewiss auf. (1)
So wird’s gemacht:
Man nehme das Vorwort 1918 und erzähle einem guten Freund, was da eigentlich drinsteht. Aber aufgepasst: nur was da drinnen steht, nicht mehr und nicht weniger. (Wer sich gerade in sozialer Isolierung befindet kann sich einen lieben Freund auch vorstellen). Um den Stoff erst einmal zu bewältigen, sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Hier ein paar Beispiele:
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Ich spreche laut, erst in eigenen Worten, dann dem Wortlaut des Buches entsprechend wie ein Schauspieler;
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Ich schreibe den Text mit der Hand aufs Papier, immer wieder, regelmässig;
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Ich bewege den Text im Raum mit apollinischen Formen;
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u.s.w.
Wenn ich diese Etappe geschafft habe und den Text frei sprechen kann von vorne nach hinten, dann kann ich dazu übergehen dasselbe von hinten nach vorne zu tun, das heisst: erst den letzten Satz (den Satz selber von vorne nach hinten), dann den vorletzten u.s.w. bis ich beim ersten gelandet bin und dann beim Titel.
Nach diesem Schritt kann ich damit beginnen dieses Wortmaterial künstlerisch zu gestalten, den vier Ebenen der menschlichen Konstitution entsprechend (physischer Leib, Lebensleib, Seelenleib, Ich-Organisation), denn alles das ist da hineingeheimnisst, in die Komposition der Sätze, Absätze und Kapitel des Buches und sogar in die Grammatik jedes einzelnen Satzes. Der geisteswissenschaftliche Stil ist ein organischer Stil, das Buch also ein Organismus. Du glaubst es nicht? Probier’ es aus und Du wirst sehn’, was passiert. (2)
Was bringt das für den Unterricht?
Rudolf Steiner: “Daher ist jene Stimmung in der “Philosophie der Freiheit” – die meisten entdecken sie gar nicht –, die überall an das künstlerische Element anschlägt. Die meisten Menschen bemerken das nicht, weil sie das Künstlerische im Trivialen, Natürlichen suchen und nicht in der freien Betätigung. Erst aus dieser freien Betätigung aber kann man die Pädagogik als Kunst erleben, und der Lehrer kann dadurch zum pädagogischen Künstler werden, dass er sich in diese Stimmung hineinfindet…” (3)
Bei Fragen bin ich gerne bereit weiterzuhelfen, habe ich doch selber auch die nötige Hilfe erhalten damals, als ich damit begann (siehe auf der Seite in english: from whom I have learned).
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Rudolf Steiner: Das Johannes-Evangelium, 12. Vortrag, 31/05/1908, TB S.195
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Ebenda, S.196: “So gibt es verschiedene Methoden, um die Katharsis herbeizuführen. Der, der sie nicht herbeigeführt hat, wenn er dieses Buch durchgenommen hat, braucht nicht zu denken, dass es nicht richtig ist, was ich sage, sondern eher, dass er es nicht richtig oder nicht energisch und gründlich genug durchgearbeitet hat.”
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Rudolf Steiner: Pädagogischer Jugendkurs, 10.Vortrag, 12/10/1922, TB S.151.
Hervorhebung (fett gedruckt) von mir.
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Noch ein paar Tatsachen, zum innerlich Bewegen, zur inneren Motivation:
Als die “Philosophie der Freiheit” am 15. November 1893 (1) zum ersten Mal erschien, lautete das letzte Wort im letzten Satz des Buches: “Er ist frei.” (2)
Während dem ersten Weltkrieg und kurz danach wies Rudolf Steiner unermüdlich darauf hin, dass derselbe schon Ende des 19.Jahrhunderts geplant wurde von einer Grupppe, welche sich darauf spezialisiert hat die Menschheit zu manipulieren. Diese Gruppe verwendet zu diesem Zweck die Hegelsche Philosophie: These – Antithese – Synthese (3): Polaritäten werden künstlich geschaffen (z.B.: Kommunismus – Kapitalismus) um aus der Konfrontation derselben Nutzen zu ziehen. Diese Tatsache zu durchschauen (4), ist der erste Schritt zur Besserung der Weltlage, denn Wahrheit heilt. (Die Wahrheit ist ein Wesen. “Ich bin der Weg…”)
Als die “Philosophie der Freiheit” im April 1918 zum zweiten Mal erschien, lautete das letzte Wort im letzten Satz des Buches: “Man muss sich der Idee erlebend gegenüber stellen können; sonst gerät man unter ihre Knechtschaft.” (2)
Das heisst: es geht um Können, es geht um Kunst, es geht um Schöpferkraft.
Im vierten Kapitel des Buches steht gleich im ersten Absatz: “Ich muss einen besonderen Wert darauf legen, dass hier an dieser Stelle beachtet werde, dass ich als meinen Ausgangspunkt das Denken (2) bezeichnet habe und nicht Begriffe und Ideen, die erst durch das Denken gewonnen werden… (Ich bemerke das hier ausdrücklich, weil hier meine Differenz mit Hegel liegt. Dieser setzt den Begriff als Erstes und Ursprüngliches.)”
Das heisst also auch: wenn Freiheit nicht aktiv durch das lebendige Denken des Individuums geschaffen wird… der Zwang kommt von selbst. Oder, in anderen Worten: entweder ich denke oder ich werde gedacht. Von wem? Siehe 2020: der massive Eingriff in die Privatsphäre fast aller Menschen auf der ganzen Welt. Mit welchem Ziel?
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siehe “Die Philosophie der Freiheit” in der Code-X Ausgabe: IV “Die historische Stellung der ‘Philosophie der Freiheit’ in der Menschheitsentwicklung” www.heartthink.com
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Hervorhebung (fett gedruckt) von mir
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Rudolf Steiner am 4. Dezember 1920, GA 202, S59/60
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Siehe das Buch von Markus Osterrieder: “Welt im Umbruch”
Margrethe Skou Larsen